Kaffee

Wir kamen nacheinander aus dem Bad geschluft. Vorne weg ging mein athletischer Körper. Oder einst athletischer Körper. Gewesen, in der Vergangenheit abgeschlossen und unzumutbar, diesen Zustand wieder herzustellen. Woher sollte ich die Zeit nehmen, mich auch noch darum zu kümmern? Ich hatte ja nicht einmal ausreichend Kapazitäten für die Sammlung meiner Whiskey-Flaschen – mit und ohne e – im Arbeitszimmer.
Fakt war, dass Whiskey – mit oder ohne e – nicht dick machte. Dazu gehörte mehr. Mangelnde Bewegung etwa. Autoren saßen den ganzen Tag auf ihrem Hintern und es gelang ihnen manchmal, sich geistig um die ganze Welt zu bewegen, derweil sie es körperlich in acht Stunden nur einmal bis ins Bad nebenan geschafft haben. Vielleicht war das eine Art von Leistung, die gebührend gefeiert werden sollte. Applaus für den erfolgreichen Toilettengang, hatte ich zuletzt im Alter von Zwei. Aber auch das kommt bestimmt noch einmal wieder, wenn die Pflegerinnen und Pfleger der Geriatrie mich dazu bringen wollen, öfter mal nicht direkt ins Bett zu kötern, sondern hin und wieder den Trump‘schen Thron der Twitterweisheit zu benutzen. Ich schweife ab.
Unser erster Gang war immer der zum Radio. Mein Körper konnte es allein einschalten, dann drehte er sich um und kam wieder zu mir, sodass ich die Möglichkeit hatte, in ihn zu schlüpfen, um mir nicht völlig unnütz vorzukommen. Denn machen wir uns nichts vor: Ohne den Körper sah ich sehr alt aus. Ich konnte nichts greifen oder drücken. Das verlangte Körperlichkeit. Eine Technologie, die aus meinem Wunsch heraus ein Buch entstehen ließ – oder einfach nur einen Kaffee –, war noch in weiter, weiter Ferne. Das hatte keinen wirklichen militärischen Nutzen. Und so richtig viel Geld verdienen konnte man damit auch nicht. Jedenfalls nicht innerhalb eines Denkzyklusses. Der war unterschiedlich lang und reichte vom Börsentag bis zur Legislaturperiode, niemals aber darüber hinaus. Unter diesem Aspekt war eine Gedankenkontrolle Science Fiction und damit unbeachtlicher Bullshit.
Das hieß nicht, dass man nicht trotzdem daran arbeiten würde. Nur eben nicht mit der Energie, mit der man das neue Automodell auf den Markt werfen konnte. Noch protziger, noch überflüssiger, noch weniger weit gedacht. Das war auch der Grund, warum jetzt noch Kohlekraftwerke ans Netz gingen, obwohl diese Technologie uns nachweislich in ein paar Jahren das Genick gebrochen haben wird. Lieber den alten Dreck noch einmal aber dafür noch größer verwirklichen, als innovativ zu werden. Man stelle sich nur vor, dass man eine Vorreiterrolle in etwas eingenommen hat. Konnte doch niemand mehr mit umgehen.
Ich schweife wieder ab. Dabei benötigte ich Kaffee. Dringend. Und das Radio suchte sich derweil den Wolf. Es war ein Internetradio. Die gingen nicht an und liefen, die gingen an und dachten nach. Zuerst darüber, ob sie dir die Informationen wirklich zumuten konnten, und dann darüber, ob du nicht noch einen kurzen Werbespot vorweg vertragen könntest. Hätte ich einen deutschen Radiosender eingestellt, ginge das etwas fixer, aber ich musste ja meinen Heimatsender hören: WNYC. Das Signal stieg gerade in Manhattan die Treppen hinauf zur Gangway, um mit dem Schiff die Überfahrt zu wagen, trotz widriger Stürme und der doch etwas fragilen Technologie des alten Dreimasters. Dauerte wohl noch ein wenig, bis ich eine vertraute Stimme hören würde.