Prolog

 

Eldjam sah Aísha genervt an, ihre dunklen Augen funkelten. Beide rissen Schwerter hervor, die zuvor nicht da waren, und schlugen gleichzeitig auf den Demouskos vor ihnen ein. So weit hätte es niemals kommen dürfen. Das geflügelte Wesen mit der schwarzen, matt glänzend schimmernden Haut verging schreiend unter der Wucht der Hiebe. Was hatten sie nur getan?

„Das war knapp“, sagte Eldjam und schluckte. Seine schöne Schwester nickte nur und besah ihre Klinge mit großen, braunen Augen. „Wir müssen die anderen warnen, sonst überlebt niemand von uns.“

Die Umgebung veränderte sich, und von den schroffen, braunen Bergen im Zentrum des Kontinents Nadej waren sie in eine Stadt inmitten einer grünen Ebene gelangt, ohne einen Schritt zu machen. Doch die einst schöne, fröhliche Stadt war verwüstet, brannte noch und Kampflärm war unüberhörbar. Schreiend starben Demouskaí ebenso wie Götter der Welt. Das durfte nicht sein. Das hatten sie so nicht geplant. Die schwarzhaarigen jungen Leute rannten mit gezogenen Schwertern in die Stadt Olderma, das Heim der Götterfamilien dieser Welt, die auf geheimnisvolle Weise erhellt wurde. Göttliche Gewalt, bis gerade eben noch für eine sehr sichere und unendliche Sache gehalten, erwies sich als durchaus anfälliges Gut, wenn die eigene Kreatur, ausgestattet mit viel zu viel Macht, einen schlechten Tag hatte. Und wenn diese Schöpfung ein großes Volk war, in der Zahl den Göttern deutlich überlegen, wurde aus der einfältigen Fantasie, ebenbürtige Wesen als Freunde zu schaffen, eine wirklich blöde Idee, die sich grausam rächte. Schlachtend und mordend zogen die Demouskaí durch die verwinkelten Gassen von Olderma und trafen auf nur wenig Widerstand, einfach weil sie zu viele waren und die Götter völlig überrumpelt wurden von den mächtigen Angreifern. Sie waren überall, und so liefen Eldjam und Aísha in einen Hinterhalt. Nur die schnelle Reaktion Eldjams bewahrte das Geschwisterpaar vor dem sicheren Tod, als eine Demouska aus einem Türeingang gestürzt kam und von hinten auf sie einschlug. Ihr Schwert prallte gegen den runden hölzernen Schild, den Eldjam hochgerissen hatte und ließ die schlanke, hochgewachsene Gestalt mit dem länglichen Gesicht verblüfft innehalten. Lang genug, um dem Hieb Aíshas schutzlos ausgeliefert zu sein. Doch hinter der erstochenen Kreatur erschienen schon zwei weitere, um die beiden Kinder von Mereq Urgom zu töten und die Macht über die Welt und das Reich der Götter an sich zu reißen.

Statt zurück zu weichen griffen die Götter an und überraschten den Gegner, der nicht mit Gegenwehr gerechnet hatte. Es gelang Aísha und Eldjam, die beiden Demouskaí zu überrumpeln und mit den Klingen ihrer Schwerter zu töten. Auch sie erkannten in den letzten Sekunden ihres Seins erst, dass auch ihre Unsterblichkeit nur eine relative war, dass auch sie, gottgleich oder nicht, durch die Klinge eines ebenbürtigen Wesens durchaus getötet werden konnten. Es tat weh, war entsetzlich, dann lösten sich die Seelen von den Körpern, und die Demouskaí starben. Die beiden Götter starrten sich an, wandten sich um und eilten weiter. Sie hörten den Kampflärm, doch sie erreichten ihn wieder nicht, sondern wurden einmal mehr von einer Übermacht aufgehalten. In den engen Gassen der großen Stadt wirkte die Zahl der Demouskaí noch beängstigender. Ihre Schwerter reckten sich den so jung wirkenden Göttern entgegen, und Eldjam und Aísha hoben ihre Schilde schützend, während sie einen Schritt zurück wichen.

„Ergebt euch, dann werden eure Leben verschont“, zischte die Stimme des Anführers. „Nehmt die Sklaverei an und dient uns!“

„Das ist eine tolle Idee“, nickte Eldjam. „Lass mich kurz drüber nachdenken – Nein!“

Du wirst sterben, und deine kleine Frau mit dir, du dummes Ding“, sagte der Demouskos, und seine Stimme klang irgendwie wie das Versprechen einer Schlange, die ihr Opfer versucht zu überreden, still zu halten, damit die es in aller Ruhe fressen kann.

„Ich bin nicht seine Frau. Ich würde das Schwert gegen mich statt gegen dich richten, wenn er mein Mann wäre“, sagte da Aísha. Eldjam verdrehte die Augen.

Was redest du da?“, hörten sie den Anführer der Demouskaí sagen.

„Ja, was redest du da?“, fragte auch Eldjam.

„Ich sagte, dass ich mich umbringen würde, wenn ich deine Frau sein müsste. Wundert dich irgendetwas an dieser Aussage?“

Du kannst dich nicht einfach umbringen, du bist eine verdammte Göttin“, sagte Eldjam. Die Demouskaí fanden sich etwas unbeachtet. „Aus dieser Verantwortung kannst du dich nicht einfach hinaus stehlen. Ist nicht drin.“

„Er hat aber so einen Blödsinn behauptet, da musste ich doch etwas drauf sagen.“

„Du hast Logorhoe, Aísha“, stöhnte Eldjam.

Ich werde euch jetzt töten, ihr Wichte!“, fauchte der Demouskos sauer und holte aus. Aísha stieß blitzschnell zu.

„Schnauze!“, sagte sie nur und blickte ihren Bruder wieder an. „Was soll das heißen: Du hast Logorrhoe?“

„Dass du eine verdammte Labertasche bist, Aísha“, sagte Eldjam nur.

Du fluchst in einer Tour“, konterte das Mädchen mit dem runden Gesicht grinsend. Verwirrt sahen die verbliebenen Demouskaí sich an. Diese beiden beachteten sie einfach nicht, dabei waren sie doch aufgebrochen, die Götter zu unterwerfen oder zu töten. Unterwerfung, das hatten sie schon gemerkt, war keine gute Idee. Die Götter konnten sich mit dieser Idee gar nicht anfreunden und starben lieber, als sich zu ergeben. Nur dieses Pärchen diskutierte ihren Standpunkt aus, als gäbe es keinen Überfall auf ihre Heimat, als wären nicht gerade ihre eigenen Schöpfungen dabei, das Reich der Götter zu verwüsten und die ehemaligen Herren zu erschlagen.

Schreiend stürzten sich zwei der Angreifer auf die beiden Götter, doch mit ungeahnt schnellen Bewegungen drehten sich die Götter in die Hiebe, blockten sie mit harten Stößen der Schilde, während ihre Schwerter einen Weg um den gegnerischen Schild herum fanden. Schreiend vor Schmerz und der schrecklichen Erkenntnis, doch sterblich zu sein, und dass dieser Augenblick viel schneller gekommen war als sie geglaubt hatten, verendeten die Demouskaí auf den Klingen von Aísha und Eldjam.

„Ihr nervt!“, fauchte Eldjam die verbliebenen Feinde an. „Rennt euch die Klingen doch selbst in die Bäuche, dann müssen wir unsere Unterhaltung nicht immer unterbrechen.“

Ihr redet nur Stuss!“, sagte eine Demouska. „Das nehmen wir nicht ernst.“

Unsere Klingen nehmt ihr scheinbar sehr ernst, denn eure Freunde haben es schon hinter sich. Zu euch kommen wir später, erst haben wir hier etwas zu besprechen, also stört uns nicht!“, sagte Aísha ernst. Sie klang plötzlich so alt und weise, gar nicht mehr wie das junge Mädchen, das vor den Demouskaí stand. Es war dieser Widerspruch, der eine Spannung aufbaute, die den Angreifern es nicht erlaubte, sich zu rühren. In aller Seelenruhe diskutierten die Geschwister aus, was ihnen auf dem Herzen lag. Die Schöpfungen lauschten und bewegten sich nicht. Eldjam fand das faszinierend. Seine Schwester mochte eine Labertasche sein, wie er sich auszudrücken pflegte, aber ihre Diskussionsexzesse hatten durchaus Vorteile. Während sie völlig banalen Quatsch aus ihrer Jugend und Kindheit aufwärmten und sich darüber stritten, grübelte ein Großteil seines Hirns darüber, wie sie aus dieser Situation wieder herauskommen mochten. Da war eine Gruppe Demouskaí, alle bewaffnet und mit dem Plan, sie zu töten. Aufgrund einer dieser Bemerkungen Aíshas waren sie zu Bewegungslosigkeit verurteilt, bis dieser Disput geklärt war. Wie immer redete seine Schwester viel zu viel, warf ihm Dinge vor, an die er sich gar nicht mehr erinnern konnte – ihre Lieblingspuppe rasiert, so ein Blödsinn! – und steigerte sich in ihre Rolle. Toll wäre es, ihren Plan zu kennen. Wahrscheinlich gab es keinen Plan. Einfach nur labern, wie immer. Stundenlang.

... und dann hast du meinen Teddy erstochen. So!“, sagte Aísha da und stach unvermittelt zu. Der Demouskos ihr gegenüber hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, der Teddy zu sein.

Ich habe ihm den Kopf abgeschlagen, so!“, sagte Eldjam da und demonstrierte es an der Demouska vor ihm.

Das ist eine Falle!“, schrie einer der übrigen Demouskaí, und Bewegung kam in die Gruppe. Doch Aísha und Eldjam holten schon wieder aus und schlugen erbarmungslos zu. Die Schilde der Gegner versuchten noch, die Schläge zu parieren, doch sie deckten die falschen Körperseiten, und die Waffen der beiden Götter drangen tief in die Körper der Gegner ein. Da kam auch von hinten Bewegung in die Leiber, doch die Demouskaí waren zu langsam, und so fielen einige von ihnen den Hieben zum Opfer, die da hinterrücks auf sie nieder gingen. Aísha und Eldjam erreichten kämpfend den Freund auf der anderen Seite und erkannten Umqough, der mit seiner Axt schreckliches anrichtete in den Reihen des Feindes. Der bärtige Gott war schon übersäht mit größeren und kleineren Blutspritzern seiner Feinde, und weder Aísha noch Eldjam gaben sich der Illusion hin, besser auszusehen als Umqough. Als die Demouskaí erschlagen waren sahen sich die drei Gottheiten an.

„Es ist schön euch zu sehen“, sagte Umqough. „Wir dachten, sie hätten euch auch getötet.“

„Unkraut vergeht nicht“, erwiderte Eldjam grinsend mit einem Seitenblick auf seine Schwester. „Und sie hat auf mich aufgepasst, so bin ich auch noch unter euch.“

Die schlug dem Bruder hart in die Seite, und der schnappte nach Luft.

Spar dir deine Kräfte, Aísha, du wirst sie noch benötigen“, lächelte Umqough, der den Schlag zwar nicht hatte kommen sehen, dem diese Konsequenz jedoch völlig klar gewesen war – im Gegensatz zu Eldjam, der immer und immer wieder darauf herein fiel. Aísha liebte das Wort, sie diskutierte alles aus und würde auch mit den Demouskaí versuchen, den Konflikt über Gespräche beizulegen, nur bei ihrem Bruder wurde sie zur Vertreterin der etwas schlagkräftigeren Argumente.

Für die Diplomatie gegenüber der eigenen Schöpfung war es jedoch bereits zu spät. Zu tief waren sie schon in das hinein gerutscht, was man unter Eskalation der Situation verstand. Auch die Göttin konnte nicht mehr zurück auf die diplomatischen Pfade, diese Krise, was immer ihre Auslöser auch gewesen waren, hatte sich zu einem ausgewachsenen Krieg entwickelt. Und dann sprachen andere. Schwerter und Äxte zum Beispiel.

„Wie steht es um uns?“, fragte sie daher den Gott mit der Axt.

Sehr schlecht“, erwiderte Umqough traurig. „Viele von uns sind gestorben, dahin geschlachtet im Schlaf oder hinterrücks erschlagen von den Demouskaí. Sie haben ganze Geschlechter ausgerottet, viele Familien haben große Verluste zu beklagen. Unsere Welt wird niemals wieder so sein wie früher.“

Dann müssen wir sie auslöschen“, sagte Eldjam hart. „Kein Demouskaí darf das Licht der Welt weiter erleben. Niemand soll sich an sie erinnern, sie müssen fort und ersetzt werden durch eine andere Kreation.“

„Wir müssen sie erst einmal stellen können“, gab Umquogh zu bedenken. „Noch treiben sie uns vor sich her. Daher müssen wir versuchen, eine Frontlinie zu bilden, so dass wir sie im fairen Kampf besiegen können. Dazu haben sie uns jedoch bislang keine Chance gelassen.“

„Natürlich nicht, sie wollen ja siegen“, gab Aísha zu bedenken. „Das können sie jedoch nur, wenn sie nicht offen und fair kämpfen, sondern auf ihre – leider sehr erfolgreiche – Art.“

 

Es hatte eine Weile gedauert, bis die drei Deitäten die zerstörten Teile von Olderma hinter sich gelassen hatten. Aísha war körperlich unwohl von all dem Tod und der Verwüstung; es fühlte sich an, als müsse sie sich gleich übergeben. Nicht wegen der Toten, sondern wegen der Gewalt, die dahinter stand. Sie gelangten in die Bereiche, in denen noch gekämpft wurde. Zuerst fanden sie Porqo, den Schweinegott, einen langhaarigen Typen, der immer schlecht drauf war und an Allem und Jedem etwas auszusetzen hatte. Und er tat es mosernd. In diesem dunklen Moment jedoch moserte er nicht, sondern fluchte laut und vernehmlich, schwang eine Spatha1 mit langem, breiten Blatt und trennte Demouskaí in mehrere Teile. Die Zahl seiner Gegner war groß, doch offensichtlich war es Porqos Wut auch. Kreatur um Kreatur fiel seinen gezielten Streichen zum Opfer, und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten oder Ideen der Demouskaí dezimierte der Gott ihre Zahl immer weiter. Nur selten war er gezwungen, einen Hieb mit seinem großen Rundschild zu parieren, er griff immer zuerst an, und fast immer war der erste Schlag auch das Ende seines Gegners. Umquogh, Eldjam und Aísha griffen in den Kampf ein. Hinterrücks erschlugen sie Porqos Gegner, bis die vier Götter allein auf dem kleinen Forum standen. Sie blickten sich an.

Zähe Drecksschweine“, sagte Porqo nur und trat einem toten Demouskos in die Seite. „Und viel zu viele. Wir müssen die Scheißer vernichten. Restlos.“

„Sie sind überall, und ich fürchte, wir kommen zu spät, sie haben scheinbar alle anderen schon getötet“, sagte Umquogh.

„Blödsinn, da drüben wird überall noch gekämpft, und eine wirkliche Chance haben sie doch gar nicht gegen uns, wir sind Götter!“, sagte Porqo, und Überzeugung schwang in seiner Stimme mit.

„Wir haben sie viel zu mächtig gemacht“, erwiderte Eldjam und presste die Lippen fest aufeinander. „Jetzt haben wir ein Problem mit ihnen.“

„Wir haben das Problem in erster Linie, weil sie hierher kommen konnten“, gab Porqo zu bedenken. „Was hat eine von uns geschaffene Kreatur in unserer Stadt, in unserer Welt zu suchen? Haben wir uns so sehr an uns selbst gelangweilt?“

„Ja, haben wir wohl“, nickte Aísha.

„Ein tödlicher Fehler“, gab Porqo zurück. „Lasst uns die Überlebenden um uns scharen. Wir müssen zusammen halten, wenn wir siegen wollen.“

Und die Gruppe zog weiter, zu auf das Zentrum der Stadt, von wo Kampflärm tönte. Ein Demouskos kam durch die Gasse geflogen, schlug hart auf und rutschte noch etwas auf sie zu, dann blieb er reglos liegen. Sein Schädel war zertrümmert von einem mächtigen Hammer; Essem schien in der Nähe zu sein. Schreie ertönten, grauenvolle Schreie des Schmerzes und der Qualen, dann verklangen sie, wie die Kreaturen vergingen. Seine glühende Faust wütete unter den Gegnern. Keine Frage, Essem war wirklich sauer. Seine tiefe Stimme dröhnte durch die Gasse herüber.

„Wie könnt ihr Unwürdigen es wagen? Ihr Würmer! Ich werde euch alle zermalmen!“

Das war nach Porqos Geschmack. Er sprintete los und griff die Feinde von der anderen Seite an. Zwischen den Gottheiten wurden die Geflügelten aufgerieben und getötet. Als Aísha zusammen mit Umquogh und Eldjam das Schlachtfeld erreichten, gab es die Demouskaí schon nicht mehr. Es roch nach Kot, Urin und verbranntem Fleisch, und zwischen den Leichen standen die beiden wutschnaubenden Götter und reichten sich die Hand.

Weiter, schnell!“, rief Umquogh und bog in eine Seitenstraße ein. Sie folgten ihm laufend, und auf dem Forum fanden sie ein Heer von Demouskaí, die eine Gruppe von Göttern umringten. Sie griffen vom Boden und aus der Luft an, und die Männer und Frauen in der Mitte des großen Platzes wehrten sich nach Kräften. Doch der Himmel verdunkelte sich, als noch weitere Geschöpfe sich näherten und auf die Stadt herab senken wollten.

Scheiße!“, fluchte Porqo, riss seine Spatha hoch und griff einfach an. Essem wartete einen Augenblick, dann schlug er eine Bresche in die andere Richtung. Mit glühender Hand und seinem großen Hammer tilgte er Leben um Leben. Ein grausiges Bild bot sich den Demouskaí ebenso wie Aísha. Eldjam dagegen folgte Essem auf das Forum und schlug wild um sich. Da kamen aus einem der Häuser weitere Götter. Aísha erkannte Diana und Fagh, zwei Göttinnen von großer Schönheit, jedoch keine wirklich großen Kriegerinnen. Jede hielt einen Sax2 und einen Rundschild in Händen. Ihnen folgten Esseddyn und Qadjana, sowie Mereq Urgom, Aíshas und Eldjams Vater. Sie kämpften gemeinsam einen kleinen Teil des Forums frei, doch aus dem blaugrünen Himmel senkten sich unaufhörlich weitere Demouskaí auf das Forum, um die Plätze der Gefallenen einzunehmen. Viele von ihnen schafften es nicht einmal, richtig zu landen, als schon Klingen in ihre Körper drangen oder Essems Faust nach ihnen schlug.

Doch der wütende Angriff der geflügelten Wesen lockte auch ihre Feinde an. Das Heer in der Luft war weithin sichtbar, und ihr Ziel musste interessant sein. So kam es, dass immer mehr Götter auftauchten, an allen Seiten des Forums. All diejenigen, die versprengt gekämpft und ihre Konfrontationen überlebt hatten, trafen auf dem großen Platz ein. Aus allen Richtungen kamen sie und drängten die Demouskaí in die Position, in der sich gerade noch die Götter der Familie der Tushu befunden hatten. Die Götter hielten das Zentrum des Platzes, doch viele von ihnen waren gefallen. Aísha kämpfte sich verbissen vorwärts und durch zu Tushoq, seiner Frau Tirla und ihrem Sohn Ludjun. Turdjin war verwundet und kniete zwischen den Anderen, als die Göttin die Rednertribüne erreicht hatte und sich neben ihre Verwandten stellte. Auch Eldjam erreichte den Ort, und er musste erkennen, dass viele von ihnen gefallen waren. Die Demouskaí hatten schrecklich gewütet, und die Sippe war stark dezimiert. Einige Angehörige der Familie fehlten ganz. Sie mussten an anderem Ort getötet worden sein, bevor die Überlebenden es hierher auf den Platz Udun geschafft hatten. Als Edjam und Aísha sich zu Tushoq und den seinen eingeordnet hatten in eine Reihe, hatte auch ihr Vater Mereq Urgom die Tribüne erreicht und kam zu ihnen. Es blitzte einmal sehr hell, und göttliche Macht riss alle, Weltenlenker wie aufbegehrende Kreaturen, hinaus aus dem Land Qeqesh am Magischen Strom und hinein in die Welt, auf eine mit Gras bewachsene Ebene des Kontinents Veladjam. In weiter Ferne war das nördliche Gebirge der Landmasse zu erkennen, und die Gebäude waren verschwunden, nur die Kämpfenden befanden sich noch untereinander, die Demouskaí am Himmel ebenso wie jene am Boden. Das ganze Ausmaß ihres Angriffs wurde jedoch erst jetzt erkennbar. Sie waren überall, bewaffnet und darauf lauernd, jemanden hinterrücks zu ermorden. Das war nun ohne den Schutz der Gebäude, nicht mehr möglich. Die Götter starrten die Angreifer an. Welch ein perfider Plan, sie in Olderma versuchen zu ermorden.

Von all dem unbeeindruckt kämpften ein Mann und ein Demouskos verbissen weiter. Aísha erkannte mit einem Seitenblick, dass es sich um Mettesh aus der Familie der Guldjadd handelte, der von seinem ebenbürtigen Gegner nicht lassen konnte. Er nannte ihn Veldjuv, das musste der Name des Demouskos sein, denn der nannte auch den Gott bei dessen Namen, ohne Beleidigungen, ohne Provokationen. Da hatten sich zwei gefunden. Das Auge der Göttin fand jedoch keinen weiteren Angehörigen der Sippe der Guldjadd; Mettesh musste der Letzte von ihnen sein.

Einen sehr langen Moment standen sie sich alle so gegenüber – mal von Mettesh und Veldjuv abgesehen – und nichts weiter geschah. Aíshas große, sonst immer fröhlich lachende braune Augen suchten unruhig umher, versuchten so viel wie möglich aufzunehmen von der Situation. Die Demouskaí lernten gerade die wirkliche Macht der Götter kennen. Es hatte etwas gedauert, bis Tuqum, Deben und Irqena, die Götter der Magie, sich in dem Chaos, das über die Stadt Olderma hereingebrochen war, gefunden hatten. Doch nun waren sie vereint und sprachen schreckliche Zauber. Sie nahmen zuerst allen Demouskaí die Fähigkeit, ihre Sprüche zu sagen. Die Kreaturen bemerkten das verblüfft, als sie sich wieder ins Land Qeqesh bringen wollten, um die Macht von den Göttern endgültig zu übernehmen.

„Alle weg hier, wir ziehen uns dort an die Quelle zurück!“, rief Tuqum mit tösend lauter Stimme. Der Lärm sollte nicht nur seine unglaubliche Macht symbolisieren, sondern auch für alle Götter hörbar sein. Wer nichts hörte war Mettesh, doch seine Bewegungen wurden immer langsamer. Offensichtlich hatte er sich mit dem Gegner übernommen. Aísha lief zusammen mit ihrer Familie zur Quelle, wo all die anderen Götter ebenfalls hinstrebten, als Veldjuv und Mettesh jeder eine schnelle Bewegung machten und sich die Klingen in die Bäuche rammten. Verblüfft erkannten sie, dass sie nicht gewonnen hatten, niemand von ihnen, und Mettesh verging, ohne zu erleben, was aus der Welt wurde.

Die Demouskaí rotteten sich ebenfalls zusammen. Unter der Führung von Sheddim reihten sie sich auf, um in die große Schlacht zu ziehen.

„Es ist Götterdämmerung!“, rief er und reckte sein Schwert in den Himmel. „Heute werden wir sie besiegen, und wir leben nicht länger in Knechtschaft. Ab heute werden wir die Herren dieser Welt sein!“

Grölend stimmten die abertausenden von Demouskaí ihrem Anführer zu. Die Götter formierten sich, doch es war keine Schlachtreihe, was sie bildeten. Sie standen dort wie die wahren Herren dieses Planeten, sie wirkten mehr wie Richter denn wie Soldaten. Allen vorweg stand Hayké, neben ihm seine schwangere Gattin Irloy. Hinter diesen beiden standen die übrigen Götter wie ein V, dessen Spitze auf das Heer der Demouskaí wies.

„Höret, unwürdige Kreaturen!“, rief Hayké laut, und sein mächtiger Streitkolben wies auf die Aggressoren. Stille. „Ihr habt euch gegen eure Schöpfer gewandt, das ist eine schändliche Tat, die gar nicht gesühnt werden kann. Ihr habt euch abgewandt von diesem Ort, der Welt Drurka, einer Oase inmitten der Unwirklichkeit. Und so verstößt Drurka euch und bannt euch von seiner Oberfläche!“

 

Und es wurde kalt und dunkel um die Demouskaí

 

_______________

 

 

1 Zweischneidiges Hiebschwert, das in der Regel einhändig geführt wird.

 

2 Einschneidiges Hiebschwert, das mit einer Hand geführt wird. Das Kurzschwert eignet sich für den Nahkampf besser als die lange Spatha.